Digitalisierung im Gesundheitswesen – ein hoffnungsloser Fall?

Im März hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach die Digitalisierungsstrategie für das Gesundheitswesen vorgestellt. Demnach sollen bis 2025 unter anderem 80 Prozent der GKV-Versicherten eine elektronische Patientenakte nutzen und bis 2026 80 Prozent der Kommunikationsvorgänge im Gesundheits- und Pflegewesen papierlos erfolgen. Dazu beinhaltet die Strategie zwei Gesetzesvorhaben, die zum einen ohnehin schon mehr als überfällig sind und zum anderen bereits seit Langem angekündigt waren. Ein ganz großer Wurf? Wohl kaum. Warum tut sich die Gesundheitspolitik so schwer damit, die Digitalisierung im deutschen Gesundheitswesen voranzutreiben? 

Klar ist, ein Erkenntnisdefizit haben wir nicht – ein Umsetzungsdefizit aber schon. Die Ursachen mögen vielschichtig sein, aber auf der Hand liegt auch, dass 18 verschiedene Datenschutzbeauftragte in Bund und Ländern nicht dazu beitragen, den Prozess zu beschleunigen. 

Datensicherheit und -schutz sind wichtig, gerade bei so sensiblen Daten wie denen im Gesundheitssystem. Aber es kann auch keine Lösung sein, Richtlinien so auszulegen, dass Datensicherheit über dem Wohle der Patientinnen und Patienten steht. Vor allem dann nicht, wenn wir uns die Herausforderungen anschauen, vor denen wir stehen: Der demografische Wandel führt schon jetzt zu einem eklatanten Fachkräftemangel im Gesundheitswesen und dieser Trend wird sich weiter fortsetzen. Hinzu kommen steigende Kosten durch eben diesen, durch den Technologiefortschritt und durch zunehmende Gesundheitslasten aufgrund unseres Lebensstils. Diabetes, Atemwegs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind auf dem Vormarsch. Noch profitieren wir von einer Gesundheitsversorgung auf hohem Niveau, das aber mit den bestehenden Konzepten nicht gehalten werden kann. Wir brauchen digitale Lösungen. Es kann nicht sein, dass wichtige Gesundheitsinformationen nicht schon längst automatisch zwischen Ärztinnen und Ärzten über eine elektronische Patientenakte (ePA) ausgetauscht werden können. Dass ein Medikationsplan bei Einlieferung in ein Krankenhaus nicht automatisch ausgelesen werden kann. Dass im 21. Jahrhundert Gesundheitsämter auf die Datenübermittlung via Faxgerät angewiesen sind. 

Andere Länder wie Estland oder Israel zeigen schon längst, dass Datenschutz und Patientenwohl miteinander vereinbar sind. Wenn wir hier nicht schnell nachziehen – und mit schnell muss sofort gemeint sein, – werden wir die gerade aufgeführten Herausforderungen für unser System nicht stemmen können. Dabei hilft erst recht keine medial geführte Diskussion über die Zukunft des Chefs der ‚Nationalen Agentur für Digitale Medizin – gematik‘. Wir brauchen jetzt konkrete Gesetzentwürfe vom Gesundheitsminister, die den Willen zeigen, Deutschlands Gesundheitssystem endlich im 21. Jahrhundert ankommen zu lassen.