Helfen kann so schwer sein – Erfahrungen aus Uganda

Die Cottbuser Abiturientin Chiara Kelch über ihre Zeit als Volunteer

Das Foto, das Sie hier sehen, erzählt eine ganze Geschichte. Ein Selfie, das ich auf der Straße vor der St. Joseph Primary School Mbarara in Uganda gemacht habe. Es zeigt mich inmitten von Schülern und Schülerinnen. Alle lachen, alle sind fröhlich. Dass alle Kinder Glatzen haben, hat einen einfachen Grund, Sie sollen so vor Läusen geschützt werden. Ich war für acht Monate Volunteer in Uganda. Das Foto entstand in den ersten Wochen meiner Zeit dort. Ich sollte für die britische Organisation St. Francis Family Helper überwiegend im Patenprogramm für Waisenkindern helfen.

Mein Freiwilligendienst in Uganda dauerte insgesamt acht Monate und gab mir die Möglichkeit, eine einzigartige Erfahrung zu erleben. Ich wusste, dass es in Uganda nicht so sein wird, wie hier in Deutschland, natürlich. Und trotzdem war ich von vielen Sachen überrascht. Wenn ich heute über Uganda nachdenke, denke ich an ein wunderschönes Land: voller Berge, mit viel Wasser und noch mehr grünen Wäldern. Ich habe dort den schönsten Sonnenuntergang meines Lebens gesehen. Ich habe Obst gegessen, das es nur dort gibt: die Bananen sind süß und cremig, die Ananas war besonders süß, weil sie frisch geerntet wurden, und die Passionsfrüchte waren so lecker, dass ich daraus Marmelade kochen musste. Ich hatte die Gelegenheit, äußerst herzliche und gastfreundliche Menschen kennenzulernen, die mir ihr Land mit offenen Armen zeigten. Diese Begegnungen erweiterten mein Verständnis für andere Kulturen und bereicherten meine Sichtweise.

Manchmal kann aber auch ein Freiwilligendienst im Ausland ohne die Unterstützung eines gewohnten sozialen Umfelds sehr schwierig sein. Ich fühlte mich sehr oft einsam und fehl am Platz. Ich habe mir viel Mühe gegeben, mit anderen in Kontakt zu treten. Doch es ist schwerer als man denkt, man kommt zwar schnell an Handynummern, aber meistens sind es eher Smalltalks. In die Tiefe gehen Gespräche eher selten. Man wird schnell in eine Schublade gesteckt, der reiche naive Muzungu (Menschen europäischer Abstammung), der die Welt verbessern möchte, ohne mit den Leuten in Kontakt zu treten.

Wie kompliziert wir Deutschen manchmal denken, merkte ich bei einer Sache besonders. Ich saß mit Ugandern zusammen. Wir tauschten uns aus, lachten viel und bemerkten trotz Unterschieden auch ein paar Gemeinsamkeiten. Eine junge Frau fragte mich, ob sie mein Haar anfassen dürfte, da es blond ist und wie sie sagten geschmeidig. Ich war und bin noch immer sehr beeindruckt von ihren Braids, das sind Flechtfrisuren wie sie unterschiedlicher und schöner nicht hätten sein können. Sie fragten mich, wieso ich so etwas nicht hätte, da ich ja immer davon schwärme. Ich erklärte ihnen, dass es in Deutschland als Kulturelle Aneignung gesehen wird und ich das deshalb nicht machen dürfe. Das verstanden sie nicht. Für sie ist es mehr als nur eine Flechtfrisur. Für sie bedeutet es Zusammengehörigkeit und Freiheit. Braids brauchen ihre Zeit und das ist die Zeit, die sich die Frauen nehmen dürfen und auf die sie auch beharren.

Wir sprachen aber auch über das Thema sexuelle Belästigung. Denn, eine der schwierigsten Erfahrungen, die ich gemacht habe, war die sexuelle Belästigung und der Stellenwert der Frau. Leider handelt es sich in manchen Situationen um ein ernstes Problem, und es erfordert Mut und Entschlossenheit, öffentlich darüber zu reden. Tatsächlich verging nicht ein Tag, an dem ich nicht belästigt wurde. Die Männer versuchten mich zu küssen, betatschten mich und verfolgten mich. Dabei wollte ich nur meine Ruhe und Sicherheit haben. Ein Nein haben sie nicht verstanden. Obwohl es eine unangenehme Erfahrung war, hat sie mein Bewusstsein geschärft und mir das Problem klar gemacht. Auch die ugandischen Frauen erzählten mir von ihren Erfahrungen mit Männern – sie kannten es nicht anders.

Es ist interessant zu sehen, dass es in diesem Land immer noch Spuren von Kolonialismus gibt, sei es in der Bildung, der Politik oder der sozialen Struktur. Die Leute wollen und könnten mehr aus sich machen, doch sie identifizieren sich nicht als Bürger und Bürgerinnen ihres Landes. Diese dort gewonnen Erkenntnisse haben mir geholfen zu verstehen, wie wichtig es ist, die Folgen der Kolonialisierung zu erkennen und so gut es geht solche Länder bei der Unabhängigkeit zu unterstützen. Denn auch die Menschen in Uganda wollen unabhängiger leben und aus ihren alten Strukturen herauszubrechen.

Uganda hat mir sehr Vieles beigebracht. Es ist nicht nur wichtig zu lernen, wie die Strukturen funktionieren und eine andere Kultur aussieht. Sondern es geht auch darum wie man Menschen, die dort leben, unterstützen kann, um die Hilfe zu bekommen, die sie auch wollen. Und möglicherweise den ein oder anderen Denkanstoß zu geben. Ich habe aber auch sehr viel über mich gelernt. Ich habe zum Beispiel gelernt, Dinge zu schätzen, die ich früher für selbstverständlich gehalten habe. Die einfachen Freuden des Lebens, wie man immer so schön sagt. Dazu gehört nicht nur sauberes Wasser, sichere Unterkünfte und gute Bildungschancen, sondern auch Straßenlicht, deutsches Brot und die deutsche Pünktlichkeit. Sie sind für mich zu einem kostbaren Gut geworden. Es war eine sehr lehrreiche Zeit in Uganda, aber auch eine sehr Schwierige. Helfen kann so schwer sein.