Kommunikationsberatung: Mehr als nur Worte

Ein Satz kann Milliarden kosten. Oder einsparen. Prominente Beispiele sind Elon Musk von Tesla oder Rolf Breuer von der Deutschen Bank, die mit unternehmensrelevanten Informationen via Twitter bzw. seinerzeit Bloomberg TV erheblichen Börsenwert vernichteten. Mario Draghi, Ex-Präsident der Europäischen Zentralbank, wiederum gelang es in der Eurokrise 2012 mit der Formulierung «Whatever it takes», die Finanzmärkte zu beruhigen und einen Crash zu verhindern.

Ein Plädoyer von Susanne Horstmann

Die Sichtbarkeit von Unternehmenschefs macht CEO-Kommunikation nicht selten zum Drahtseilakt, insbesondere in turbulenten Zeiten und bei börsennotierten Unternehmen. Das Internet hat ein fantastisches Gedächtnis, Worte „versenden“ sich nicht, wie es früher hieß, sondern sind für die Ewigkeit. In den PR-Abteilungen der Unternehmen und in den Kommunikationsagenturen sitzen deshalb meist erfahrene Profis.

Wesentlich für den Erfolg ist aber vor allem der kontinuierliche Kommunikationsfluss in „normalen“ Zeiten. Er sorgt für das nötige Grundrauschen, schafft Dialog und Vertrauen. Erst in Krisenzeiten an die Öffentlichkeit zu treten, erweist sich meist als nachteilig.

Warum einsteigen?

Talente haben heute oft eine große Auswahl an Jobs und viele gute Angebote. Warum sollten Absolventen, Praktikanten oder Quereinsteiger überhaupt in die Kommunikationsberatung gehen?

Die Lernkurve ist, wie in allen Unternehmensberatungen, steil, zumal in Agenturen:

Man bekommt in kurzer Zeit Einblicke in verschiedene Branchen, Unternehmenstypen und -kulturen. Selbst bei ähnlicher Problemstellung zeigt sich: Unternehmen sind so vielfältig wie die Flora und Fauna des Regenwaldes. Es ist immer wieder interessant, die geschriebenen und ungeschriebenen Gesetze und Gebräuche einer Organisation kennenzulernen und damit zu arbeiten.

Man beschäftigt sich mit den Aufgaben, mit denen sich die Top-Führungskräfte einer Organisation befassen. Dazu muss man versuchen, das Geschäftsmodell und das Unternehmen so weit wie möglich von der Basis aus zu durchdringen (wie etwa in Produktentwicklung, Fertigung, Lager usw.: Gibt es die Möglichkeit einer Werksbesichtigung? Dann nutze sie!). Gleichzeitig ist es wichtig, die Helikopterperspektive einnehmen zu können, um mit dem Management auf Augenhöhe zu sprechen. Die Verantwortlichen auf Kundenseite, insbesondere bei inhabergeführten Unternehmen, kennen ihr Unternehmen besser als jeder Berater es in der relativ kurzen Zeit eines Mandates kennenlernen kann. Der Mehrwert des Beraters besteht vor allem darin, eine Außenperspektive einzubringen sowie die branchen- und fachspezifischen Erfahrungen eines individuell für das Projekt zusammengestellten Expertenteams.

Man trifft auf interessante Persönlichkeiten im Top-Management, denen – je nach Unternehmensgröße – selbst die Teams des jeweiligen Kunden oft nur selten begegnen: im Intranet, auf Messen oder bei Weihnachtsfeiern. Auch hier gilt: Kein Mensch, kein Unternehmen, keine Situation ist wie die andere, Einfühlungsvermögen, Integrität und Standhaftigkeit sind gefragt. Sie helfen, manchmal unangenehme Wahrheiten zu vermitteln. Der Ton macht die Musik. Echtes Interesse, Freundlichkeit und Gelassenheit retten nicht selten auch heikle Situationen – und die entsprechende Grundhaltung lässt sich tatsächlich üben.

Das Themenspektrum ist breit und vielfältig:

Der PR-Verband DPRG hat zwölf große Themenfelder definiert, darunter Media-, International- und Investor Relations, Public Affairs, Community und Eco Relations sowie die gute alte Produkt-PR – um nur einige zu nennen. Bemerkenswert ist, dass die interne Kommunikation in vielen, vor allem schnell wachsenden Unternehmen (z.B. Start-ups, Mittelständler) auch heute noch oft vernachlässigt wird. Vorstandsaufzüge direkt in die Chefetage gehören zwar fast überall der Vergangenheit an. Aber wer nutzt einen „Kummerkasten“ oder gibt ehrliches Feedback bei Mitarbeiterbefragungen, die kaum Anonymität garantieren können? Welcher „normale“ Mitarbeiter nutzt die „open door policy“ des neuen Vorstandsmitglieds, um sie oder ihn am oft gut bewachten Vorzimmer vorbei direkt zu besuchen (vorausgesetzt, der elektronische Ausweis erlaubt überhaupt Zugang zu diesem Flur)?

Die Digitalisierung bereichert das ohnehin weite Feld der Kommunikation um neue Instrumente (z.B. KI-basierte Tools zur Texterstellung oder Online-Module zur Mitarbeiter- oder Bürgerbeteiligung), Kanäle (soziale Netzwerke, Tiktok) und Berufsbilder („Prompter“). Hier können sich digital affine Berufseinsteiger und Nachwuchskräfte schnell positionieren.

Content zu generieren macht Kunden und Berater zu Herausgebern und Produzenten: In vielen Fällen sind journalistische Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten gefragt, vom Drehbuch über die Podcast- und Videoproduktion bis hin zur Distribution des fertigen Produkts über verschiedene Kanäle. So finden auch Technikbegeisterte und angehende Redakteure in der PR ein interessantes Betätigungsfeld und können sich zu begehrten Experten entwickeln.

Wirtschaft, Politik und gesellschaftliche Themen ergänzen sich:

In einem wirtschaftlichen Umfeld, in dem der Staat immer mehr Einfluss nimmt, werden auch gesellschafts- und sogar geopolitische Aspekte immer wichtiger. Politisch Interessierte ohne Scheuklappen, gerne mit wirtschaftspolitischem Verständnis, sind in der Kommunikationsberatung willkommen. Und wie überall gilt: Wer mit offenen Sinnen und Herzen durch die Welt geht, kann hier das Menschliche und Allzumenschliche studieren. Jede Organisation ist ein lebendiger Organismus. Und letztlich ist jedes Geschäft ein „People Business“.

Was erwartet Interessierte noch?

Neben dem effektiven „learning on the job“ bieten Unternehmen und Agenturen heute in der Regel eine marktgerechte Vergütung, Weiterbildungsmaßnahmen und flexible Arbeitszeitmodelle, oft mit der Möglichkeit, zumindest teilweise „remote“ zu arbeiten. „Nine to five“ im Büro ist zwar nicht immer möglich, aber die Arbeitgeber sind heute durchaus auf Ausgleich bedacht.

Schön ist: Flache Hierarchien garantieren Sichtbarkeit und Wertschätzung, niemand bleibt „unsichtbar“. Gute Ideen werden in der Regel schnell aufgegriffen und gegebenenfalls als Vorschlag an den Kunden weitergegeben.

Wer in kurzer Zeit viel lernen will, Neugier, Dienstleistungsbereitschaft und etwas Ausdauer mitbringt, findet in der Kommunikation ein interessantes Arbeitsfeld, das viele Aufgaben und Karrieremöglichkeiten bietet. Wenn man seine Sache gut macht, bleibt das auch den Kunden nicht verborgen, und so mancher wechselt zu dem Unternehmen, für das er eine Zeit lang als Externer gearbeitet hat. Aber auch in der Beratung selbst ist eine Karriere möglich: Wer den Werkzeugkasten der Kommunikation zu nutzen weiß, dem stehen viele Türen offen. Denn: „Man kann nicht nicht kommunizieren“. Oder: „Wer nicht kommuniziert, der wird kommuniziert“. Besser also, man macht es gut.

Susanne Horstmann ist Managing Director des Münchener Büros der WMP EuroCom AG.